1. Kurzbeschreibung des Elements:

Die Wirlinger Böllerschützen üben den uralten Brauch und Kunst des Böllerschießens aus. Nach mündlich tradierten Regeln werden zu weltlichen und kirchlichen Festen und Anlässen Böller abgeschossen. Diese Böllertradition unterscheidet sich bewusst von den Prangerschützen, sowohl beim Geschütz, als auch in der Art des Auftretens und der Schusstradition.

Die Aufstellung der Böller erfolgt an geeigneten Plätzen in der Nähe der (Fest)Veranstaltung oder wie bei den Rauhnachtsschießen seit vielen Generationen am fixen Platz des "Beriga – Gutes" in Wirling, Gemeinde St. Wolfgang. Dieser Platz wird so gewählt, dass das Zusammenspiel zwischen Schuss und den nachfolgenden Echos (grollen) einerseits, und dem Anlass (z.B. Hochzeit) andererseits am besten funktioniert.

Um dem strengen Pyrotechnikgesetz Rechnung zu tragen wurde ein eigenes Geschütz entwickelt und in Ferlach zertifiziert. Damit konnte der einzige österreichische Böllerschützenverein die Böllertradition in der Wolfgangseeregion fortsetzen.

2. AntragsstellerInnen

Verein Traditionsschützen Wirling, Obmann Plamberger Matthias, Wirling 16, 5351 St. Wolfgang.

3. Name des Elements

Wirlinger Traditionsschützen

Böllerschützen

Hochzeitsschützen

Rauhnachtschützen

4. Beschreibung des Elements

(a) Heutige Praxis

Die Böllerschützen gestalten religiöse und weltliche Feste und Feiern mit, indem sie nach alten, mündlich überlieferten Regeln Böllerschüsse abfeuern. Am wichtigsten sind die (Mit)gestaltung von traditionellen Bauernhochzeiten, kirchlichen Festen und Umzügen, sowie die Rauhnachtsschießen.

An geeigneten Standorten (vorzüglich natürliche Anhöhen) werden die Böllergeschütze platziert und zu bestimmten, streng festgelegten Zeiten gezündet. Mit zum Schuss gehört das nachfolgende Echo aus den umliegenden Berghängen, welche das Hörerlebnis und die feierliche Gestaltung ausmachen.

Als genehmigtes und zertifiziertes Böllergeschütz dient ein von den Traditionsschützen Wirling selbst entwickeltes Geschütz. Es funktioniert ähnlich einem Gewehr. Die Zündung erfolgt über einen Hahn, der mit einem langen Seil betätigt wird.

(b) Entstehung und Wandel

Lärmbräuche mit Hilfe von Schießpulver gibt es, seit es das Schießpulver gibt. Kanonen, Gewehre und die weniger militärische Form des Böllers kündigten den Besuch von Würdenträgern, den Beginn und den Verlauf von Festen an, vertrieben das wilde Gjaid in den Rauhnächten oder wurden zur Ehrung bei Begräbnissen abgefeuert.

Im inneren Salzkammergut hat sich für diese Anlässe der Böller durchgesetzt. Als Böllergeschütz verwendete man unten verschlossene Eisenrohre verschiedener Größe. In diese wurde Schwarzpulver geschüttet, darauf kamen Papier und Sägespäne zum Verdichten. Schließlich wurde noch ein Stoppel aus Holz daraufgeschlagen. Die Öffnung zum Entzünden des Pulvers befand sich auf der Seite des Rohres. Hier war ein sogenanntes "Kederschüsserl" mit feinem Pulver angebracht. Beim Entzünden des Böllers wurde eine lange Holzstange verwendet, an deren Ende sich ein Stück dünnes, längliches Eisen befand, das bei einem Feuer zum Glühen gebracht wurde. Dieses glühende Eisen wurde in das "Kederschüsserl" gehalten, der Böller explodierte.

Die umliegenden Berge erzeugten ein Echo des Böllerknalls, welches je nach Entfernung lauter oder leiser, schneller oder länger verzögert erfolgte. Erst wenn das letzte Echo abgeklungen ist, also der Schuss rundum gegangen ist, darf der nächste Böller entzündet werden. Beim "Hauptstand" der Wirlinger Böllerschützen beim Beriga – Bauer dauert ein Schuss samt nachfolgendem Hall genau 12 Sekunden. Dieser Ort wird wegen seiner günstigen Lage (natürliche Anhöhe in der Nähe des GH Rega und der meisten Bauerngüter) bereits seit vielen Generationen als Hauptstand für Hochzeitsschießen in Wirling oder für Rauhnachtsschießen genutzt. Wird an anderen Stellen bei Hochzeiten geschossen, so muss genau auf die örtlichen Verhältnisse geachtet werden. Wird der folgende Schuss zu früh abgeschossen, also in den Schuss hineingeschossen, oder entsteht ein Loch, so sind keine guten Böllerschützen am Werk.

verhält es sich mit den Schusszeiten. Eine Hochzeit wurde um 4 Uhr früh mit 4 Böllerschüssen angekündigt. An jeder folgenden Stunde wurden bis zur Kirchfeier eine der Stunde entsprechende Anzahl an Schüssen abgegeben. Die Rauhnächte wurden pünktlich um 12 Uhr Mittags eingeschossen, die Nacht um 18 Uhr und der letzte Schuss erfolgte kurz vor 12 Uhr des nächsten Tages.

Alle diese Regeln und die Bedienung des Geschützes werden von Generation zu Generation mündlich weitergegeben.

Leider wurde mit den Böllern auch viel Unfug getrieben, was zu einer besorgniserregenden Anzahl von Zwischenfällen mit Personen- und Sachschaden und zum Teil zu schweren Unfällen führte. Aus diesem Grund führte die österreichische Regierung 1974 mit dem Pyrotechnik-Gesetz ein fast vollständiges Verbot des Hantierens mit Böllern ein, welches die für das Böllerschießen geltenden Polizeivorschriften ersetzte. Nur die Prangerschützen als brauchtumpflegende Gruppe sind von dem Verbot ausgenommen. Folglich entstanden auch im oberösterreichischen Salzkammergut die im Salzburger Flach- und Tennengau üblichen Prangerschützenvereine. Diese übernahmen aber nicht nur das Geschütz, sondern auch deren Bräuche für die Schussabfolgen.

Damit wäre die Böllertradition im Salzkammergut endgültig gestorben. Manche wollten diese Tradition nicht abreißen lassen und schossen illegal weiter. Die Wirlinger wollten aber ihre Tradition nicht in der Illegalität belassen und entwickelten ein Böllerabfeuerungsgerät, welches dem Gesetz der Pyrotechnik entsprach. Matthias Laimer entwickelte den ersten Prototyp und die Wirlinger ließen diesen 1989 vom Beschussamt in Ferlach überprüfen. Das Beschusszertifikat wurde zwar ausgestellt, doch die Sicherheitsdirektion in Linz stellte einen negativen Bescheid aus, weil das Laden des Böllers von oben erfolgte. Nach kleineren Anpassungen wurde das Geschütz 1990 genehmigt.

So entstand noch im selben Jahr mit den "Traditionsschützen Wirling" der einzige österreichische Verein, der offiziell Böller schießen darf und so diese uralte Tradition legal weiterleben kann.

5. Dokumentation des Elements

Das Element wurde ausschließlich mündlich weitergegeben. Einen filmischen Beitrag gibt es in:

"Traditionsschützen Wirling" www.stv1.at

6. Geographische Lokalisierung

Diese Tradition wird im inneren Salzkammergut, insbesondere die Region um den Wolfgangsee gepflegt. Dies umfasst die Gemeinden Bad Ischl, St. Wolfgang und Strobl.

7. Eingebundene Gemeinschaften, Vereine, Personen und Art ihrer Beteiligung

Pfarren St. Wolfgang und Pfandl, vertreten durch Dechant Monsignore Johannes Schlosser: Gestalter von kirchlichen Festen.

(Bäuerliche) Bevölkerung, Brautpaare, Vereine im Raum Bad Ischl, Strobl, St. Wolfgang, vertreten durch Labg. Bgm. Johannes Peinsteiner: Festveranstalter im öffentlichen und privaten Rahmen.

IKES: Immaterielles Kulturerbe Salzkammergut, Obmann Dr. Ludwig Wiener, Haiden 311, 5351 Aigen-Voglhub: Interessensvertreter des immateriellen Kulturgutes im Salzkammergut; Schnittstelle zu anderen Kulturträgern und Organisationen; Veranstalter von Symposien, Informations- und Diskussionsveranstaltungen über immaterielles Kulturgut; Multiplikator.

8. Risikofaktoren für die Bewahrung des Elements

Wie bereits erwähnt, wurde mit dem Pyrotechnikgesetz 1974 das Böllerschießen verboten. Verbotsauslösend waren Auswüchse: Böller und Pulver waren leicht zu erhalten und billig zu bedienen und fernab jeglicher traditionellen Gepflogenheiten wurde wild drauflosgeschossen. Unfälle und Beschwerden über eine unzumutbare Lärmbelästigung waren die Folge. Im Zuge der Normierung wurde die Schusstradition gleich mitverboten. Die Ausnahme der Prangerschützen hatte zur Folge, dass diese die Böllertradition in Geschütz und Ausübungsart ersetzten.

Weiters wird der Lärmbrauch durch immer billigeren Zugang in Form von Raketen und industriell hergestellten Kleinböllern von der Tradition losgelöst und erfährt eine nie dagewesene Mode. Bestes Beispiel sind die Rauhnächte: hier kann man kaum mehr einen Beginn und ein Ende einer Rauhnacht erkennen – es wird in der Weihnachtszeit fast durchgeballert. Ähnlich bei Hochzeiten: es wird geschossen, wann es einem gerade in den Sinn kommt – natürlich mit Feuerwerk, Kleinböllern oder Gaskanonen.

Im Zuge dieser "Mode" ist es möglich, dass die traditionellen Wurzeln des Böllerbrauches und die Botschaft, die sie vermitteln sollen, vergessen werden.

9. Bestehende und geplante Maßnahmen zur Erhaltung und kreativen Weitergabe des Elements, z. B. im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstseinsbildung, etc.

Mit der Aufnahme in die Liste als schützenswertes immaterielles Kulturerbe der UNESCO will man die Ursprünglichkeit, den Sinn, die Schönheit und die Eigenständigkeit der heimischen Böllerschützentradition hervorheben.

Mit der Gründung eines eigenen Traditionsschützenvereins ist die Bewahrung und Weitergabe der ausschließlich mündlichen Überlieferung des Böllerschützenbrauchs gut abgesichert. Dieser Verein ist auch im allgemeinen Gesellschaftsleben der Region eingebunden und kann sich so auch nach außen darstellen. Dadurch kann das Interesse für die Jugend geweckt und die Tradition weitergegeben werden.